Warum wird das Hören schlechter?
Unser Hörvermögen lässt viele von uns früher im Stich als einem lieb sein kann. Schon direkt nach der Geburt beginnt der Verlust an Hörvermögen. Zunächst sind nur sehr hohe Töne (20.000 Hz oder 20 kHz) betroffen. Bis zum jungen Erwachsenen lässt sich in dem normalerweise untersuchten Frequenzbereich von 125 Hz bis 8 kHz kein Hörverlust nachweisen. Schon mit 40 Jahren findet sich durchschnittlich ein Hörverlust für 8 kHz und 6 kHz. Langsam und damit für den Betroffenen unmerklich wird das Hören bei hohen Frequenzen immer schlechter. Dieser Hörverlust kann schon mit 55 Jahren die Kommunikation mit anderen Menschen beeinträchtigen. Die Ursache ist ein zunehmender Verlust von den Zellen in der Hörschnecke, welche bei geringen und mittleren Lautstärken das Gehörte verstärken und bei hohen Lautstärken dämpfend wirken. Hieraus erklärt sich auch das scheinbar paradoxe Phänomen, das Schwerhörige oft sehr lärmempfindlich sind. Es fehlt halt der dämpfende Effekt der sog. äußeren Haarzellen.
Warum bemerken Schwerhörige ihren Hörverlust oft nicht selber?
Menschliche Kommunikation ist das Ergebnis von Hören, Sehen und Interpretation. Unbewusst lesen Schwerhörige von den Lippen ihrer Gesprächspartner ab und Reimen sich nicht verstandene Worte zusammen. Tendenziell wird den Gesprächspartnern unterstellt, sie sprächen nicht deutlich genug und viel zu schnell. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass alle anderen nicht gut sprechen oder absichtlich den Fernseher nicht so laut einstellen, wie man es selber gerne hätte. Die Gefahr von Problemen in der Familie von Schwerhörigen ist nicht zu unterschätzen. Ständiges Nachfragen oder Wiederholen sind einer guten Kommunikation abträglich. Da wird dann eher geschwiegen und das Verhalten des jeweils anderen als gegen die eigene Person gerichtet empfunden.
Warum sind Hörgeräte so unbeliebt?
Hörgeräte haben ein negatives Image. Ein Hörgerät sei der offensichtliche Nachweis, dass man alt sei. Erfahrungen aus der Zeit der analogen Hörgeräte, wie lautes Pfeifen durch Rückkopplungen und ein verstopftes Gefühl im Gehörgang, machen uns und den Hörgeräteakustikern das Leben schwer. Heute sind alle Hörgeräte digital! Die Industrie hat bei den Hörgeräten ebensolche Fortschritte gemacht, wie bei all den anderen digitalen Geräten unseres Alltags. Richtmikrofone, eine intelligente Unterdrückung von Störgeräuschen sowie verschiedene Programme für unterschiedliche Hörsituationen gehören schon zur Standardausstattung. Weitere Merkmale wie eine integrierte Freisprecheinrichtung fürs Telefon oder eine App fürs Smartphone sind zwar Aufpreis pflichtig, aber eben schon möglich. Lautsprecher, die im Gehörgang liegen, liefern einen hervorragenden Klang und sind jeden Euro wert, den man dafür extra zahlen muss. Als Kassenpatient erhält man schon für 10 Euro pro Gerät ein High-Tech-Gerät, das in der Medizin seines Gleichen sucht. Es gibt heute viel weniger Gründe ein Hörgerät abzulehnen, als noch vor zehn Jahren. Auf den Versuch kommt es an.
Sind Hören und Verstehen dasselbe?
Wir unterscheiden in den Gesprächen mit unseren Patienten zwischen dem Hören im engeren Sinne und dem Verstehen. Wir hören mit unseren Ohren und Verstehen das Gehörte in unserem Gehirn. In einem spezialisierten Zentrum unserer Hirnrinde findet die Verarbeitung von Lauten statt. Dort werden nicht nur Worte erkannt. Es erfolgt auch eine Bewertung und Filterung der akustischen Signale. Unwichtiges gelangt nicht in unser Bewusstsein, wohingegen Wichtiges oder Geräusche, welche eine Gefahr bedeuten können, bewusst wahrgenommen werden. Hier mal ein Beispiel aus dem Alltag: Wer in einer Großstadt lebt, nimmt einen vor seinem Haus vorbei fahrenden Einsatzwagen mit Martinshorn nicht bewusst war. Wer jedoch wenige Minuten zuvor die Notrufnummer gewählt hat, hört das Martinshorn schon in großer Entfernung.
Warum versteht der Schwerhörige in ruhiger Umgebung besser?
Der altersbedingte Hörverlust betrifft zuerst die hohen Frequenzen. Diese benötigen wir, um wichtige Signale aus störenden Geräuschen heraus zu filtern. Werden die hohen Töne nicht mehr gut wahrgenommen, so verlieren wir also die Fähigkeit den Nutzschall aus dem Störschall heraus zu hören. Gleichzeitig fehlen uns die scharfen Mitlaute wie zum Beispiel „s“, „f“ oder „t“. Ohne diese bleiben uns nur die Vokale und die Weichen Mitlaute wie „w“, „b“ oder „m“. Ohne weitere Informationen wie das Lippenbild des Sprechers hat der Schwerhörige keine Chance den Sprecher zu verstehen. Befindet sich der Sprecher im Nachbarzimmer oder dreht dem Schwerhörigen den Rücken zu, so werden zwar dessen Worte wahrgenommen können aber nicht verstanden werden.
Gibt es medizinische Risiken durch eine Schwerhörigkeit?
Eine Schwerhörigkeit führt zu Einsamkeit. Viele Schwerhörige meiden Situationen, in denen sie nichts mehr verstehen. Die Lebensfreude nimmt ab und das Risiko einer Altersdepression erhöht sich. Die Abnahme von akustischen Sinneseindrücken begünstigt die Entwicklung einer Demenz, weil sich Schwerhörige eher isolieren und somit insgesamt weniger Sinneseindrücke erhalten. Unser Gehirn können wir wie einen Muskel trainieren und es kann wie ein solcher bei Nichtinanspruchnahme seine Fähigkeiten verlieren. Nichts anderes ist eine Demenz, als der Verlust von Fähigkeiten in Folge eines Abbaus von Hirnmasse.
Kann ein Hörgerät meinem Ohr schaden?
Ein Hörgerät führt definitiv nicht zu Hörschäden oder irgendwelchen anderen Schäden. Unser Innenohr verliert auch keine Fähigkeiten, weil wir ein Hörgerät tragen. Hörgeräte erhalten uns die Fähigkeit, auch in schwierigen und lauten Hörsituationen zu kommunizieren. Wer zum ersten Mal ein Hörgerät nutzt, muss das Verstehen und Bewerten wieder erlernen. Die Lerngeschwindigkeit unseres Gehirns und damit auch des Hörzentrums nimmt jedoch mit dem Alter ab. Als Betroffener kann man deshalb nicht zu früh ein Hörgerät nutzen. Viele kommen leider zu spät und müssen sich dann lange mühen, um wieder in schwierigen Situationen zurecht zu kommen.
Wie sind Hörgeräte zu tragen?
Schwerhörige müssen ihre Hörgeräte regelmäßig, d. h. von früh bis spät tragen. Es spielt keine Rolle, ob jemand anders bei dem Schwerhörigen ist oder nicht. Das Gehirn muss wieder lernen unwichtige Geräusche zu unterdrücken. Nur so kann es in der Gesprächssituation die Sprache aus den Umgebungsgeräuschen herausfiltern. Wer mit 55 oder 65 Jahren beginnt, seine Hörgeräte zu tragen, wird auch noch im hohen Alter gut verstehen können. Mit 80 Jahren sich erst an Hörgeräte zu gewöhnen, gelingt nur sehr wenigen Menschen.
Über dieses Thema könnten wir noch viel Schreiben. Das würde aber den Rahmen hier sprengen. Deshalb können wir Sie nur darin bestärken, lieber zu früh als zu spät Ihr Hörvermögen prüfen zu lassen. Die gute Nachricht ist, dass wir heute praktisch jeden Hörverlust soweit ausgleichen können, dass die Kommunikation mit anderen Menschen wieder möglich ist. Die schlechte Nachricht ist, dass leider viele Menschen erst dann zu uns kommen, wenn sie gar nichts mehr verstehen und dann Jahre brauchen würden, um wieder am Alltag teilnehmen zu können.
Kann ich dem Hörverlust vorbeugen? Gibt es eine Früherkennungsuntersuchung?
Noch gibt es keine gesetzliche Früherkennungsuntersuchung auf Hörschäden, aber sinnvoll wäre sie.
Als Hals-, Nasen- und Ohrenärzte sind wir Ihre Ansprechpartner bei Hörproblemen wie Hörverlust, Geräuschempfindlichkeit und Ohrengeräuschen.